Eine KMU-Erfolgsgeschichte aus dem Toggenburg
Bereits seit mehr als 130 Jahren ist die Familie Kuhn mit eigenen Bäckereien im Geschäft – mittlerweile in der fünften Generation. Inhaber Richard Kuhn brachte das Unternehmen aus Brunnadern in den letzten gut 15 Jahren auf Expansionskurs. Was macht den Erfolg dieses sympathischen KMU aus?
Die Firmengeschichte zeugt von schwierigen Zeiten – der Bäckerei Kuhn ist der Erfolg nicht geschenkt worden, sondern dahinter steckte von Beginn weg harte Arbeit. «Die ersten drei Generationen haben ums Überleben gekämpft. Krieg, Pandemie und finanzielle Schwierigkeiten sorgten für schwierige Bedingungen», erzählt Richard Kuhn, Verwaltungsratspräsident und in der fünften Generation des Familienunternehmens tätig. Seit der Übergabe der Geschäftsführung vom Vater an den Sohn Richard Kuhn im Jahr 2006 machte die Bäckerei einen Entwicklungsschritt. Plötzlich ging es Schlag auf Schlag mit der Expansion: Damals beschäftigte das KMU noch 25 Mitarbeitende, heute sind es mehr als 250 in 13 Filialen von St. Gallen bis Zürich.
Made in Toggenburg
Das Stammhaus, wo die feinen Backwaren produziert werden, befindet sich im malerischen Brunnadern; nicht gerade ein Standortvorteil gegenüber den Stadtbäckereien, die für die Belieferung ihrer Filialen in St.Gallen oder Winterthur nur kurze Wege haben und sogar mehrmals am Tag ausliefern können. Doch Kuhn hat es geschafft, den eigenen Standortnachteil in einen Vorteil umzumünzen: Zum einen im Marketing, wo das Unternehmen voll auf die Karte Toggenburg setzt. Zum anderen bei der Infrastruktur der Filialen, in denen das Personal direkt vor Ort selbst backen kann. So reicht eine einmalige Lieferung pro Tag aus.
In den Filialen setzt man auf toggenburger Flair: Einladend, herzlich und gemütlich – so wird das Ambiente in einem internen Strategiepapier beschrieben. Die Gäste sollen sich im Café-Ladengeschäft wohlfühlen. Der Kaffee wird entsprechend im urchigen Chacheli serviert, als wäre man in einer alten Bauernstube. «Wir möchten unverwechselbar sein», so Richard Kuhn.
Ehrliche Zutaten
Authentische Lebensmittel, gefertigt nach tradierten Rezepturen, das ist das Credo der Bäckerei. Als in den 70er-Jahren ein Trend zu Backmitteln und anderen Zusätzen einsetzt, um schneller zu produzieren, bleibt man standhaft und verwendet weiterhin unverfälschte, natürliche Zutaten, bis heute. Die kritische und gut informierte Kundschaft schätzt das.
In einem serviceorientierten Unternehmen sind die Mitarbeitenden ein weiterer wichtiger Schlüssel zum Erfolg. Richard Kuhn ist sich dessen bewusst. Deshalb wird viel in die Mitarbeitenden investiert. Wer bei Kuhn neu anfängt – egal in welcher Funktion – kommt für einen Tag nach Brunnadern, wo gemeinsam mit Junior und Senior Kuhn gebacken wird. «So erleben Mitarbeitende unsere Prozesse hautnah, lernen unsere Produkte kennen und verinnerlichen unsere Philosophie», sagt Richard Kuhn zu diesem ungewöhnlichen Schulungstag.
Dass Mitarbeitende bei Kuhn miteinbezogen werden, zeigt sich auch beim gemeinsam entwickelten Leitbild, das nach einen Bottom-up-Prozess entstanden ist. Es wird ergänzt durch ein emotionales Bild, das die Werte nochmals visuell transportiert. Das schafft Bezugspunkte für die Angestellten und orientiert ihr Handeln: Passt das Produkt in die Welt von Kuhn? Ein Blick auf das Leitbild genügt – wie eine Landkarte schafft es Orientierung.
Weg mit alten Zöpfen
Richard Kuhn spricht über Digitalisierung – ein Thema, das man nicht in erster Linie mit einer Bäckerei verbinden würde. So erklärt er, wie wichtig die Entscheidung gewesen sei, Prozesse zu digitalisieren, um weiter zu wachsen. Dies bedeutete auch, das Sortiment zu straffen. Mehr Standardisierung, mehr Effizienz und weniger individuelle Kundenwünsche. Alte Zöpfe mussten konsequent abgeschnitten werden. Die Devise heute lautet: Digital first!
Das hat auch Vorteile: Kunden können bei Kuhn auch online ihren Zopf oder ihr Brot bestellen: Wer bis um 16 Uhr eine Bestellung aufgibt, kann sie am nächsten Tag in der Filiale ab acht Uhr abholen. «Die Digitalisierung ist für uns so wichtig, dass wir auch im Verwaltungsrat eine Fachperson mit den entsprechenden Kompetenzen eingestellt haben», äussert sich Richard Kuhn zur strategischen Ausrichtung des Unternehmens.
Ehrgeizige Pläne
Das Ziel ist klar: weiter wachsen. Aktuell ist der Bau einer topmodernen Produktionsanlage in Bütschwil im Gange. Rund 9,5 Millionen Franken lässt sich das Unternehmen das neue Gebäude kosten. Bis und mit Weihnachten 2022 wird weiterhin in Brunnadern produziert, im Frühjahr 2023 erfolgt dann der nahtlose Übergang vom Necker- ins Thurtal. Rund 40 Mitarbeitende werden am neuen Standort in Bütschwil beschäftigt. Der Laden und das Café in Brunnadern bleiben auch nach dem Wegzug der Produktion bestehen.
Und wie sieht es mit der Nachfolge aus? Ob jemals seine Kinder in der sechsten Generation das Unternehmen führen werden, steht noch nicht fest: «Ich will keinen Druck ausüben. Sie werden ihren eigenen Weg gehen. Und natürlich würde es mich freuen, wenn die Bäckerei Kuhn weiterhin ein Familienunternehmen bleiben wird».
Im Hintergrund läutet die Dorfkirche von Brunnadern, wo wir uns am Morgen zum Gespräch mit Richard Kuhn getroffen haben. Ein Zeichen: Zeit aufzubrechen und einen Abschluss zu finden, natürlich nicht ohne ein paar Spezialitäten aus der Bäckerei mit auf den Weg zu nehmen.
«Unsere gesamte Expansion wurde von der St.Galler Kantonalbank begleitet. Die Bank hat sich auch bei schlechtem Wetter als verlässliche Partnerin erwiesen. Besonders schätze ich die langjährige, vertrauensvolle und freundschaftliche Beziehung zu unserem Kundenberater.»
Richard Kuhn, Kuhn Back & Gastro AG
«Die Kuhn Back & Gastro AG ist während der letzten Jahre stark gewachsen. Wir freuen uns, dass wir dieses Unternehmen auch weiterhin bei wichtigen finanziellen Entscheidungen begleiten dürfen.»
Ralph Farner, Berater Firmenkunden
Fachkräftemangel in der Schweiz
Die Zahl der offenen Stellen in der Schweiz hat mittlerweile die 100’000er-Marke überschritten. Die Bäckerei Kuhn spürt den Fachkräftemangel ebenfalls, musste bisher jedoch noch nicht Öffnungszeiten anpassen oder gar ganze Tage schliessen, wie andere Unternehmen aus der Branche. «Wenn Fachkräfte in der Wirtschaft fehlen, ist es umso wichtiger, gutes Personal selbst auszubilden. Entsprechend forcieren wir die Berufsbildung in den Bereichen Bäcker-Konditor und Detailhandel», so Richard Kuhn.