17. Juni 2024, Tägliche Marktsicht
Der Euro und das Vertrauen
Das Resultat der Wahlen für das EU-Parlament war vorhersehbar. Die Kurzschlussreaktion von Emanuel Macron dagegen nicht. Die Kombination dieser Ereignisse hat das in den letzten Monaten aufgebaute Vertrauen in den Euro über Nacht weggewischt.
Im Fokus
Das Resultat der Wahlen für das EU-Parlament war vorhersehbar. Die Kurzschlussreaktion von Emanuel Macron dagegen nicht. Die Kombination dieser Ereignisse hat das in den letzten Monaten aufgebaute Vertrauen in den Euro über Nacht weggewischt. Der Wechselkurs des Euro zum Franken sank innert Kürze von 99 Rappen auf 95 Rappen, den tiefsten Stand seit Ende Februar. Auch gegenüber dem US-Dollar musste der Euro Federn lassen, wenn auch nicht im gleichen Ausmass. Als sicherer Hafen wird einmal mehr vor allem der Franken gesucht.
Sobald die Unsicherheit rund um die Eurozone zunimmt, werden die Schulden der Staaten wieder zum Thema. Der Kreditrisikoaufschlag 10-jähriger Anleihen Frankreichs gegenüber den deutschen Anleihen ist um 50% gestiegen. Das tönt dramatisch, ist in Basispunkten ausgedrückt etwas harmloser. Der Aufschlag beträgt nun 0.76%. Das ist deutlich mehr als üblich, aber im Vergleich zu den 1.40% während der Eurokrise 2012 kein Grund zu übertriebener Sorge. Die Kreditrisikoprämie italienischer Anleihen ist auch gestiegen, von 1.30% auf 1.60%. Die Gefahr für die Eurozone liegt weniger bei den kurzfristigen Marktreaktionen auf die Vorgänge in Paris als im Wandel der grundlegenden Einschätzung der Stabilität der Eurozone.
Italien galt lange als der grösste Wackelkandidat. Kleinere Länder wie Griechenland können auch Probleme und heftige Diskussionen auslösen, sind aber nicht gross genug, um das Konstrukt als Ganzes zu hinterfragen. Das ist bei einem Kaliber wie Italien anders. Momentan ist es um Italien aber ruhig. Die politische Stabilität ist für italienische Verhältnisse fast schon unheimlich. Die Regierung will es mit den europäischen Institutionen nicht verscherzen, weil sie auf die Milliarden aus dem EU-Aufbautopf angewiesen ist. Das Wirtschaftswachstum ist mit 0.7% im Jahresvergleich besser als der Durchschnitt der Eurozone und die Inflation mit 0.8% vergleichsweise tief.
Frankreich ist zum neuen Symbol für die Probleme der Eurozone aufgestiegen. Das an sich gute BIP-Wachstum von über 1% basiert schwergewichtig auf den staatlichen Ausgaben. Entsprechend gross ist mit 5.5% des BIP das Defizit und die Schuldenquote Frankreichs steigt auf 123% des BIP. Sollten die Parteien am linken und am rechten Rand im Parlament stärker den Ton angeben, wird die Ausgabendisziplin des Staates nicht besser werden. Die Achse Deutschland-Frankreich wurde während den verschiedenen Eurokrisen der letzten Jahre immer als wichtiger Stabilitätsanker für die Eurozone bezeichnet. Dieser Anker ist wirtschaftlich und politisch am Bröckeln, was die Stabilität der Eurozone ernsthaft belasten kann.
Kurzfristig bedeutet der Schwächeanfall des Euro, dass sich die Ausgangslage für den SNB-Zinsentscheid am nächsten Donnerstag ändert. Der Druck der Finanzmärkte nimmt zu, die Zinssenkung der EZB von Anfang Juni zu kontern und den Leitzins ebenfalls nach unten zu nehmen. Sollte die SNB den Zins am Donnerstag nicht senken, riskiert sie eine weitere Abwertung des Euro zum Franken. Wir sind der Meinung, dass sich die SNB davon nicht beeindrucken lassen und mit weiteren Zinssenkungen warten sollte.
Für die Schweizer Exportindustrie und die Anlegerinnen und Anleger bedeutet es, dass die Schwäche des Frankens in diesem Jahr nur ein Intermezzo war. Sie müssen sich damit abfinden, dass der Euro über die Zeit immer billiger wird und dem Währungsmanagement die notwendige Beachtung schenken. Eine zumindest teilweise Absicherung ihrer Euro-Forderungen ist mehr als eine Überlegung wert.
Aktienmärkte
US-Aktienmärkte
Dow Jones: -0.15%, S&P500: -0.04%, Nasdaq: +0.12%
Europäische Aktienmärkte
EuroStoxx50: -1.95%, DAX: -1.44%, SMI: -1.66%
Asiatische Märkte
Nikkei 225: -2.10%, HangSeng: +0.20%, S&P/ASX 200: +0.10%
Die Aktienmärkte in den USA und in Europa haben sich unterschiedlich entwickelt. Während die US-Aktien nach der Sitzung der Fed, und den nach wie vor vorhandenen Aussichten auf eine Zinssenkung, einen neuen Höchststand erreichten, litten die europäischen Aktien unter den Nachwehen der Wahlen ins EU-Parlament und der Auflösung des Parlaments in Frankreich. Der S&P 500 legte letzte Woche 1.58% zu. Die europäischen Aktien verloren 4.20%, während der Swiss Performance Index die Woche mit einem Minus von 1.66% abschloss.
Die Grundstimmung an den Aktienmärkten bleibt solide. Trotz der unsicheren Situation bei der Zinsentwicklung, werden Rückschläge für den Einstieg in die Aktienmärkte genutzt. Doch wie lange noch? Weiterhin vielbeachtet werden die US-Wirtschaftsdaten. Deren Interpretation soll darüber Auskunft geben, wie und wann die US-Notenbank die Leitzinsen senkt. Schlechte Arbeitsmarkt- und Wachstumszahlen werden positiv interpretiert, überhöhte Inflationsdaten negativ. Die Inflation in den USA ist jüngst etwas zurückgeglitten. Gleichzeitig zeigen sich Bremsspuren im Arbeitsmarkt. Beides hat dazu geführt, dass die Aktienmärkte die Ampeln wieder auf Grün gestellt haben. Die Reaktionen zeigen aber auch, dass die Marktteilnehmer aktuell sehr schnell zwischen positiven und negativen Neuigkeiten hin- und her wechseln. Die Inflation ist in den USA gerade einmal um 0.1% gesunken. Bei einem genaueren Blick auf die Arbeitsmarktdaten sieht man, dass die Bremsspuren bescheiden sind und auch mit saisonalen Effekten zusammenhängen. Aber es zeigt eben auch, dass der Grossteil der Marktteilnehmer positive Signale für den Aktienmarkt sehen will, auch wenn diese noch so geringfügig sind. Diese Grundstimmung trägt insbesondere den US-Markt in neue Rekordhöhen. Zum einen lässt einem diese fast euphorische Stimmung an den Märkten vorsichtig werden. Denn bei einem solchem Tempo kann es schnell einmal passieren, ein oranges oder gar ein Rotlicht zu übersehen. Zum anderen weiss man aber auch, dass ein solcher Trend länger als gedacht anhalten kann und es daher schnell teuer werden kann, sich komplett gegen den Markt zu stellen. Zudem zeigen viele Indikatoren weiterhin in die richtige Richtung für die Aktienmärkte. Aus diesen Gründen sehen wir in der aktuellen Marktphase ein Gleichgewicht bei den Aktien als ideale Positionierung an. Wir fahren nicht mit Vollgas mit, gehen aber auch nicht unnötig auf die Bremse
Kapitalmärkte
Renditen 10 J: USA: 4.242%; DE: 2.360%; CH: 0.751%
Die Zinsen an den Kapitalmärkten sind deutlich gefallen. Schwächere Wirtschaftsdaten in den USA, der Hinweis der Fed-Mitglieder auf eine erste Zinssenkung noch in diesem Jahr sowie die politische Unsicherheit in Frankreich nach der Festlegung von Neuwahlen für das Parlament haben die Renditen nach unten gedrückt. Die Kombination von Zinshoffnungen und politischen Ängsten ist ein starker Treiber für die Obligationen.
Währungen
US-Dollar in Franken: 0.8905
Euro in US-Dollar: 1.0705
Euro in Franken: 0.9532
Vor einem Monat wurde noch darüber spekuliert, wann der Euro zum Franken die Parität überschreitet. Eine Europawahl mit einem vorhersehbaren Ergebnis später ist das Vertrauen in die Einheitswährung verflogen. Die Spekulation auf einen schwachen Franken ist einmal mehr krachend gescheitert.
Rohstoffmärkte
Ölpreis WTI: USD 78.19 pro Fass
Goldpreis: USD 2'323.66 pro Unze
Der Preis für Kupfer hat zwischen Februar und Mai um fast 50% zugelegt und den durch die Lieferkettenprobleme getriebenen Spitzenwert von 2021 übertroffen. Das Ganze lief ohne grosse Schlagzeilen im Hintergrund ab. Ein klarer Grund für die Preisexplosion war nicht ersichtlich. Da scheint einiges an Spekulation dabei gewesen zu sein. Daher überrascht es nicht, dass der Preis jetzt wieder rasch sinkt.
Wirtschaft
USA: U. Michigan Konsumentenvertrauen (Juni) letztes: 69.1; erwartet: 72.0; aktuell: 65.6
Die Stimmung bei den amerikanischen Konsumenten ist unerwartet auf den tiefsten Stand seit sieben Monaten gefallen. Belastend wirken die steigenden Preise und Anzeichen, dass es im Arbeitsmarkt schlechter läuft als auch schon. Ob die schlechte Stimmung zu tieferen Konsumausgaben führt, wird man sehen. Sicher ist es nach den bisherigen Erfahrungen nicht.
Thomas Stucki
8021 Zürich