14. Juni 2024, CIO-Sicht | Zinsen & Geldpolitik
Die Zentralbanken entziehen Geld und niemanden interessiert es
Die Zentralbanken haben ihre Bilanzen zuletzt deutlich reduziert. Wie hat sich dies auf die Finanzmärkte ausgewirkt?
Die Finanzmärkte werden von den Zinserwartungen an die Fed getrieben. Jedes Wort und jede Geste von Jerome Powell wird akribisch beobachtet. In jede wichtige und auch weniger wichtige Konjunkturzahl wird ein Einfluss auf die Inflation und damit auf den Zeitpunkt der ersten Zinssenkung der Fed hineininterpretiert.
Dabei besteht Geldpolitik nicht nur aus Zinspolitik. Nach der Finanzkrise und während der Pandemie waren ausserordentliche Massnahmen wie der Kauf von Anleihen ein wichtiges Instrument der Zentralbanken. Die Folge war eine massive Ausweitung ihrer Bilanzen. Vor zwei Jahren ging dann die Angst um, dass die Wirtschaft und die Aktienmärkte zusammenbrechen, wenn diese Liquidität ihnen wieder entzogen wird.
Inzwischen hat die Fed ihre Bilanz um 1700 Mrd. US-Dollar reduziert und schöpft monatlich weitere rund 100 Mrd. US-Dollar ab, indem sie auslaufende Treasuries und Mortgage Backed Securities nicht mehr ersetzt. Die US-Wirtschaft ist nicht in eine Rezession gefallen und die Aktienmärkte eilen von Höchststand zu Höchststand. Das Finanzministerium hat neue Käufer für seine Treasuries gefunden. Der Abbau der Fed-Bilanz ist an den Finanzmärkten kein Thema mehr. Zugegeben: Die Bilanz der Fed ist immer noch deutlich höher als vor Corona.
Die Europäische Zentralbank macht das Gleiche. Sie hat ihre Bilanz um 2200 Mrd. Euro oder mehr als 20% reduziert, ohne dass die Staaten der Eurozone in eine Finanzkrise geraten sind. Die SNB ist in einer schwierigeren Lage, da sie nicht einfach auf eine Refinanzierung auslaufender Anleihen verzichten kann, sondern aktiv am Markt Franken zurückkaufen muss. Das hat die SNB aber in einem Ausmass gemacht, das wir ihr und dem Devisenmarkt nicht zugetraut haben. Rund 160 Mrd. Franken hat die SNB zurückgekauft. Ende 2023 hat sie die Verkäufe von Devisen gegen Franken gestoppt, da ihr der Franken zu teuer geworden war.
Die Ruhe rund um den Abbau der Bilanzen der Zentralbanken zeigt zwei Dinge. An den Finanzmärkten haben die Hoffnungen und Warnungen im Vorfeld eines Ereignisses die grössere Wirkung als das Umsetzen des Ereignisses. Zum Zweiten wird klar, wie massiv die Märkte mit Liquidität überflutet wurden.
Thomas Stucki
8021 Zürich