27. Mai 2024, Tägliche Marktsicht
Die Zinsen sind zu tief
Der Titel dieses Berichts mag angesichts des aktuellen Zinstrends und der Markterwartungen erstaunen. Die EZB wird mit grosser Wahrscheinlichkeit in der nächsten Woche den Leitzins senken. Die Fed ziert sich noch etwas, aber der Weg nach unten scheint auch bei ihr vorgezeichnet zu sein. Die SNB ist bekanntlich schon im März vorgeprescht.
Im Fokus
Der Titel dieses Berichts mag angesichts des aktuellen Zinstrends und der Markterwartungen erstaunen. Die EZB wird mit grosser Wahrscheinlichkeit in der nächsten Woche den Leitzins senken. Die Fed ziert sich noch etwas, aber der Weg nach unten scheint auch bei ihr vorgezeichnet zu sein. Die SNB ist bekanntlich schon im März vorgeprescht.
Etwas anderes sagt die Taylor-Regel. Der amerikanische Ökonom John B. Taylor entwickelte 1993 eine Regel für den Zielwert des geldpolitischen Leitzinses. Bis zur Finanzkrise 2008 war der Taylor-Zins für viele Zentralbanken, auch für die SNB, eine wichtige Information bei der Gestaltung ihrer Geldpolitik. Nach der Finanzkrise wurde die Steuerung der Geldpolitik über die Zinsen weitgehend ausgehebelt. Mit der Rückkehr zur Zinssteuerung sollte die Taylor-Regel wieder an Bedeutung gewinnen. Die Taylor-Regel besagt, dass sich der anzustrebende Leitzins aus dem neutralen Realzins, der erwarteten Inflationsrate und einem Korrekturfaktor zusammensetzt. Dieser wird durch die Inflationslücke und die Produktionslücke bestimmt. Die Inflationslücke ist dabei die Differenz zwischen der Inflationsrate und dem Inflationsziel. Je höher die Inflation ist, desto höher muss der Leitzins sein. Die Produktionslücke wird als Differenz zwischen dem realen Wirtschaftswachstum und dem Potenzialwachstum der Volkswirtschaft definiert. In der Anwendung der Taylor-Regel wird für die Schätzung der Produktionslücke oft die Arbeitslosenrate verwendet. Je angespannter der Arbeitsmarkt ist, desto restriktiver muss die Geldpolitik sein.
Die Taylor-Regel ist keine exakte Wissenschaft. Sie hängt stark von den verwendeten Inputdaten ab. Sie ergibt aber ein Signal, ob die Geldpolitik zu expansiv oder zu restriktiv ist. Die Schätzung des Taylor-Zinses für die Schweiz ergibt einen Wert von 2.50%. Dieser Wert ist das Ergebnis bei einem angestrebten Realzins von 1% und einer Zielinflation in der Mitte des SNB-Bandes von 0% bis 2%. Angesichts der wieder gestiegenen Inflationsrate und der tiefen Arbeitslosenrate kann die Geldpolitik der SNB somit als expansiv bezeichnet werden. Damit der Taylor-Zins auf den aktuellen Leitzins sinkt, müsste die Arbeitslosenrate in der Schweiz um 0.5% steigen oder die Inflation auf 0.8% sinken. Beides ist in nächster Zeit unwahrscheinlich und im ersteren Fall auch nicht erwünscht. Die Alternative ist, dass die SNB der Meinung ist, ein positiver Realzins sei nicht mehr erwünscht.
In den USA sieht es ähnlich aus. Der Leitzins der Fed sollte gemäss der Taylor-Regel bei 6.40% sein, deutlich über dem aktuellen Niveau. Damit eine Zinssenkung gemäss Taylor gerechtfertigt wäre, müsste die Arbeitslosenrate in den USA auf immer noch tiefe 4.5% steigen oder die Kernrate des PCE-Inflationsmasses von 2.8% auf 2.5% sinken. Beides ist in den nächsten sechs Monaten nicht ausgeschlossen.
Die Tiefzinsphase des letzten Jahrzehnts hat die Wahrnehmung der Zinsen als Steuerungsinstrument und als Preis für das Geld verändert. Nicht nur an den Finanzmärkten, sondern auch bei den Zentralbanken. Negative Realzinsen werden akzeptiert und gelten schon fast als normal. Ob die Inflationsentwicklung diese neue Sichtweise auf Dauer zulässt, werden die nächsten Jahre zeigen.
Audio-Podcast der SGKB
Die Berichtssaison zum 1. Quartal 2024 neigt sich dem Ende zu. Welche Schlüsse lassen sich aus den gezeigten Zahlen ableiten? Wer hat positiv überrascht und wie optimistisch schauen die Unternehmen in die Zukunft? Unsere Aktienanalysten Angela Truniger und Matthias Müller ordnen diese Fragen in ihrem Audio-Podcast ein.
Aktienmärkte
US-Aktienmärkte
Dow Jones: +0.01%, S&P500: +0.70%, Nasdaq: +1.10%
Europäische Aktienmärkte
EuroStoxx50: -0.04%, DAX: +0.01%, SMI: -0.29%
Asiatische Märkte
Nikkei 225: +0.20%, HangSeng: +0.31%, S&P/ASX 200: +0.34%
Gut ist schlecht und schlecht ist gut. Dies gilt momentan für veröffentlichte Konjunkturdaten und ihre Auswirkungen an den Aktienmärkten. Irgendwie ist die Welt hier verkehrt. Der S&P 500 legte letzte Woche 0.03% zu. Die europäischen Aktien verloren 0.57%, während der Swiss Performance Index die Woche mit einem Minus von 0.63% abschloss.
Die Grundstimmung an den Aktienmärkten bleibt gut. Trotz der unsicheren Situation bei der Zinsentwicklung, werden Rückschläge für den Einstieg in die Aktienmärkte genutzt. Doch wie lange noch? Weiterhin vielbeachtet werden die US-Wirtschaftsdaten. Deren Interpretation soll darüber Auskunft geben, wie und wann die US-Notenbank die Leitzinsen senkt. Schlechte Arbeitsmarkt- und Wachstumszahlen werden positiv interpretiert, überhöhte Inflationsdaten negativ. Die Inflation in den USA ist jüngst etwas zurückgeglitten. Gleichzeitig zeigen sich leichte Bremsspuren im Arbeitsmarkt. Beides hat dazu geführt, dass die Aktienmärkte die Delle vom April ausgemerzt und alle Ampeln wieder auf Grün gestellt haben. Die Reaktionen zeigen aber auch, dass die Marktteilnehmer aktuell sehr schnell zwischen positiven und negativen Neuigkeiten hin- und her wechseln. Die Inflation ist in den USA gerade einmal um 0.1% gesunken. Bei einem genaueren Blick auf die Arbeitsmarktdaten sieht man, dass die Bremsspuren bescheiden sind und auch mit saisonalen Effekten zusammenhängen. Aber es zeigt eben auch, dass der Grossteil der Marktteilnehmer positive Signale für den Aktienmarkt sehen will, auch wenn diese noch so geringfügig sind. Diese Grundstimmung trägt insbesondere den US-Markt in neue Rekordhöhen. Zum einen lässt einem diese fast euphorische Stimmung an den Märkten vorsichtig werden. Denn bei einem solchem Tempo kann es schnell einmal passieren, ein oranges oder gar ein Rotlicht zu übersehen. Zum anderen weiss man aber auch, dass ein solcher Trend länger als gedacht anhalten kann und es daher schnell teuer werden kann, sich komplett gegen den Markt zu stellen. Zudem zeigen viele Indikatoren weiterhin in die richtige Richtung für die Aktienmärkte. Aus diesen Gründen sehen wir in der aktuellen Marktphase ein Gleichgewicht bei den Aktien als ideale Positionierung an. Wir fahren nicht mit Vollgas mit, gehen aber auch nicht unnötig auf die Bremse
Kapitalmärkte
Renditen 10 J: USA: 4.465%; DE: 2.583%; CH: 0.826%
Die SNB wird Mitte Juni den nächsten Zinsentscheid fällen. Die Inflationsrate ist in der Schweiz zuletzt wieder gestiegen. Die deutliche Abschwächung des Frankens seit Anfang Jahr hat die monetären Bedingungen für Schweizer Unternehmen zusätzlich gelockert. Damit hat sich er Druck auf die SNB verringert, bereits im Juni mit der nächsten Zinssenkung nachzulegen.
Währungen
US-Dollar in Franken: 0.9144
Euro in US-Dollar: 1.0849
Euro in Franken: 0.9920
Der Franken ist noch einmal schwächer geworden. Einen speziellen Grund dafür ist nicht zu erkennen. Der Euro steht momentan in der Gunst der Devisenhändler. Die Anzeichen einer langsamen Erholung der Konjunktur in Deutschland mögen dazu beitragen, da dadurch der Druck auf die EZB kleiner wird, die Zinsen stark zu senken. Ob der Euro-Optimismus anhalten wird, wagen wir jedoch zu bezweifeln.
Rohstoffmärkte
Ölpreis WTI: USD 78.00 pro Fass
Goldpreis: USD 2'342.16 pro Unze
Der durchschnittliche Benzinpreis in den USA ist zuletzt wieder etwas gefallen, nachdem er im ersten Quartal um 15% gestiegen ist. Das sind positive Neuigkeiten für Präsident Biden. Der Benzinpreis ist in den USA die wichtigste Komponente für die Wahrnehmung der Inflation durch die Konsumenten und Wähler.
Wirtschaft
Deutschland: Einkaufsmanagerindex Composite (Mai) letzter: 50.6; erwartet: 51.0; aktuell: 52.2
Die vorausschauenden Konjunkturindikatoren in Deutschland deuten eine Morgenröte an. Die Erholung wird vom Dienstleistungssektor getrieben. In der Industrie sieht es aber auch danach aus, dass der Boden gefunden ist.
Thomas Stucki
8021 Zürich