11. September 2024, CIO-Sicht
Ein Schuss vor den Bug
Anfang August erschütterte ein Erdbeben die Finanzmärkte. Die Aktienkurse sanken genauso wie die Zinsen.
Anfang August erschütterte ein Erdbeben die Finanzmärkte: Der japanische Aktienmarkt verlor an einem Tag mehr als 12%. Die Schockwelle aus Japan breitete sich über Europa in die USA aus. Die Aktienkurse sanken genauso wie die Zinsen. Der Franken wurde als sicherer Hafen gesucht und legte gegenüber dem US-Dollar und dem Euro drei Rappen zu. Ein paar Tage später hatte sich die Aufregung gelegt. Die Aktienkurse waren fast auf den alten Niveaus, die Zinsen gingen wieder nach oben, und der Franken stand auch nicht mehr zuoberst auf dem Kaufzettel der Investoren.
Die vermeintlichen Gründe für den Mini-Crash waren sofort klar: Furcht vor einer militärischen Eskalation im Nahen Osten, enttäuschende Quartalszahlen der Tech-Giganten, Angst vor einer Rezession in den USA. Auslöser war jedoch die Glattstellung spekulativer Shortpositionen im Yen, als die japanische Währung nach einer minimalen Zinserhöhung der Bank of Japan an Wert zulegte. Das geliehene Geld war offenbar zu einem grossen Teil in japanischen Aktien investiert. Die Summe dieser Shortpositionen muss sehr gross gewesen sein, sonst hätte es nicht zu diesem Kaskadeneffekt kommen können.
Der Absturz des Nikkei hat neue Modellsignale in anderen Märkten ausgelöst, die wiederum riesige Summen in Bewegung setzten. Irgendwann waren auch die spekulativen Shortpositionen im Franken betroffen, die zu jedem Preis aufgelöst wurden, was den Wert des Frankens in die Höhe trieb. Welche Märkte von den grossen Flow-Bewegungen betroffen waren und welche nicht, war recht zufällig. So hat sich der Goldpreis nicht bewegt.
Dass durch eine Kleinigkeit so grosse Geldmengen mehr oder weniger unkontrolliert in Bewegung gesetzt werden, muss einem zu denken geben. Je mehr Geld durch Modelle für irgendwelche Kurskonstellationen in einem Markt oder zwischen verschiedenen Märkten und nicht mehr aufgrund fundamentaler Kriterien verwaltet wird, desto wahrscheinlicher werden solche Extremereignisse. Das Ermutigende ist, dass der Spuk rasch vorbei war und sich die Märkte wieder fangen konnten.
Thomas Stucki
8021 Zürich