23. September 2024, Tägliche Marktsicht

Fed vollzieht die Zinswende

Die US-Notenbank hat vergangene Woche ihren Leitzins zum ersten Mal seit 2020 gesenkt – und das mit einem ungewöhnlich grossen Schritt. Was bedeutet dieser Entscheid für den weiteren Zinspfad?

Im Fokus

Die US-Notenbank Fed hat in der vergangenen Woche erwartungsgemäss die Zinswende vollzogen und ihren Leitzins zum ersten Mal seit 2020 gesenkt. Dass die Fed Mitte September ihren Lockerungszyklus einläuten würde, zweifelte im Vorfeld der Notenbanksitzung niemand mehr an. Dass die US-Notenbank aber gleich mit einem ungewöhnlich grossen Schritt von 0.50% startet, kam zumindest für einige Marktteilnehmer eher überraschend. Schliesslich hat die Federal Reserve Bank bisher Zinssenkungen von 50 Basispunkten oder mehr nur in Krisensituationen vorgenommen.

Von einer solchen Krisensituation ist derzeit aber weit und breit nichts zu sehen. Die US-Wirtschaft wächst weiterhin mit über 2% pro Jahr, neuste Schätzungen der regionalen Atlanta-Fed gehen sogar von bis zu 3% aus. Der Arbeitsmarkt kühlte sich zuletzt zwar etwas ab, doch die Arbeitslosenrate ist historisch betrachtet nach wie vor niedrig. Hinzu kommt, dass die Kerninflationsrate nach wie vor deutlich über dem Inflationsziel der US-Notenbank liegt. Notenbankpräsident Jerome Powell war es deshalb auch wichtig zu betonen, dass die Fed noch nicht der Ansicht sei, dass es den Kampf gegen die Inflation bereits gewonnen habe.

Weshalb also senkte die US-Notenbank ihren Leitzins gleich um 0.50% und gab sich nicht mit einem kleineren Zinsschritt zufrieden? Der Grund dafür ist wohl mitunter beim verpassten Start für den Zinserhöhungszyklus im Jahr 2022 zu suchen. Damals hielt die Federal Reserve Bank ihren Leitzins auf rekordtiefem Niveau, weil sie davon ausging, dass der Teuerungsschub im Nachgang zur Corona-Pandemie nur ein vorübergehender Ausreisser war. Die Vertreter der US-Notenbank mussten sich danach jedoch eingestehen, dass sie zu spät mit Zinserhöhungen auf die gestiegenen Inflationsraten reagiert hatten, insbesondere da geldpolitische Massnahmen stets verzögert wirken. Diesen Fehler wollten die Währungshüter dieses Mal wohl vermeiden, auch wenn das Fed gemäss seinem Präsidenten nicht glaubt, zu spät auf den sich abkühlenden Arbeitsmarkt zu reagieren.

Ob die US-Notenbank ihren aktuellen Zinssenkungszyklus nun mit einem Zinsschritt von 50 oder 25 Basispunkten begonnen hat, wird schlussendlich nicht entscheidend sein. Viel wichtiger ist jedoch der weitere Zinspfad. Aufgrund der nach wie vor soliden US-Wirtschaft gehen wir nicht davon aus, dass die US-Notenbank das angeschlagene Tempo weitergehen wird. Zinsschritte à 0.25% werden in naher Zukunft wohl ausreichen, um den Wirtschaftsmotor am Laufen zu halten.

Aktienmärkte

US-Aktienmärkte
Dow Jones: +0.09%, S&P500: -0.19%, Nasdaq: -0.36%
Europäische Aktienmärkte
EuroStoxx50: -1.45%, DAX: -1.49%, SMI: -1.03%

Die Aktienmärkte zeigten sich letzte Woche global insgesamt von der schwankungsreichen Seite, verzeichneten aber unter dem Strich Kursgewinne. Einzig der Schweizer Aktienmarkt SMI schloss auf Wochensicht 0.9% tiefer. Die stärksten Avancen verzeichnete auf Wochensicht der spanische IBEX35 (+2.9%), der US-Leitindex DowJones (+2.3%) und der technologielastige Nasdaq (+2.2%). Während auf Unternehmensseite die Neuigkeiten rar gesät waren, stand vor allem der Notenbankenentscheid der Fed am Mittwochabend im Blickfeld der Marktteilnehmer. Dass die US-Notenbank Fed den Leitzins um deutliche 50 Basispunkte reduzierte, kam für einige Marktteilnehmer überraschend. Die Kursreaktionen fielen darum auch sehr unterschiedlich aus. Während der Schweizer Markt verhalten darauf reagierte, legten die europäischen und US-Börsen am Donnerstag zu. Von den tieferen Zinsen profitieren vor allem Wachstumswerte und Zykliker, welche besonders gefragt. So erklommen der marktbreite S&P500 und der DowJones am Donnerstag zwischenzeitlich neue Rekordstände. Zum Wochenschluss gewannen dann wieder Sorgen um die europäische Wirtschaft, aufgrund der Gewinnwarnung von Mercedes-Benz, die Überhand und die Aktienmärkte büssten global an Wert ein. Mercedes-Benz musste am Freitag aufgrund der zunehmenden konjunkturellen Eintrübung insbesondere in China die Ziele kappen, was den gesamten deutschen Autosektor belastete. Die Aktie verlor am Freitag 6.8% und war damit Tabellenschlusslicht des DAX.

Zu Wochenbeginn fiel der Chiphersteller Intel mit positiven Neuigkeiten auf. Einerseits konnte Intel AWS als Kunde hinzugewinnen. So soll Intel für die Amazon-Tochter massgeschneiderte KI-Chips erstellen. Andererseits sorgten Medienberichte für Auftrieb, wonach der Chiphersteller Regierungsgelder in Höhe von USD 3 Mrd. erhalten soll, um das amerikanische Verteidigungsministerium mit Halbeitern zu beliefern. Am Dienstag führte ein negativer Brokerkommentar zu Gewinnmitnahmen bei DKSH (-4.3%). Am Mittwoch hielt Hochdorf die ausserordentliche Generalversammlung ab, an welcher dem Verkauf des operativen Geschäfts an den Finanzinvestor AS Equity Partners zugestimmt wurde. Die Aktie verlor in der letzten Woche 80.9%. Am Donnerstag verzeichneten in der Schweiz insbesondere die Halbleiterwerte wie VAT (+3.7%), Comet (+3.6%) und Inficon (+4.6%) deutliche Kursgewinne. Angetrieben wurden sie von der Fed-Leitzinssenkung und positiven Vorgaben von US-Chipherstellern. Am Freitag drehten die Vorzeichen aber wieder. Teils verstärkten negative Analystenkommentare den Abwärtsdruck. Die Privatbank Vontobel vermeldete am Donnerstagabend, die Übernahme des Kundenbuchs der IHAG Privatbank, um die Präsenz in der DACH-Region weiter auszubauen. Die IHAG Privatbank verwaltet aktuell über CHF 3 Mrd. an Kundengeldern. Der Vollzug der Transaktion wird spätestens im 1. Halbjahr 2025 erwartet und soll sich von Beginn an positiv auf den Reingewinn auswirken. Es wurden keine Einzelheiten zu den Übernahmebedingungen gemacht. Die Aktie verlor am Freitag 2.3%. Das Ostschweizer Unternehmen Huber + Suhner hielt am Freitag seinen zweiten Kapitalmarkttag ab. An diesem wurden die im August kommunizierten Ziele bestätigt. Das Unternehmen setzt sich zum Ziel, ein leichtes organisches Umsatzwachstum fürs laufende Jahr zu erzielen und peilt eine EBIT-Marge zwischen 9% und 10.5% an. Die Ausschüttungsquote wird bei 40% bis 50% des Reingewinns gesehen. Mittelfristig steckt sich Huber + Suhner das Ziel, einen Umsatz von mehr als CHF 1 Mrd. zu erzielen und eine EBIT-Marge in der Bandbreite von 9% bis 12% zu erreichen. Die Aktie verlor am Freitag in einem negativen Marktumfeld 1.0%. Der Nahrungsmittelmulti Nestlé belastete am Freitag mit einem Minus von 3.9% die SMI-Performance. Ein negativer Analystenkommentar sorgte für Abgabedruck und das Erreichen eines fünf Jahrestiefs. Auch Richemont (-3.0%) und Swatch (-3.2%) mussten am Freitag, nachdem die Aktien am Donnerstag von besser als erwarteten Uhrenexportdaten unterstützt wurden, wieder Federn lassen. Grund dafür war ebenfalls ein negativer Analystenkommentar. Der Logistiker Kühne + Nagel büsste ohne nennenswerte Unternehmensneuigkeiten am Freitag 4.4% ein und fiel damit auf ein Niveau, das zuletzt im März 2023 erreicht wurde.

Diese Woche ist es ruhig bei den Unternehmen. Morgen Dienstag hält der Verbundwerkstoffhersteller Schweiter Technologies seinen Innovations- und Kapitalmarkttag ab. Am Mittwoch folgt Medacta mit dem Zahlenkranz zum 1. Halbjahr 2024.

Kapitalmärkte

Renditen 10 J: USA: 3.741%; DE: 2.204%; CH: 0.421%

Nach dem ungewöhnlich grossen Zinsschritt der US-Notenbank zur Wochenmitte blicken die Kapitalmarktteilnehmer nun bereits auf den weiteren Zinspfad der Fed. Trotz der Zinssenkung um 0.50% ist von Unruhe oder gar Panik weiterhin nichts zu spüren. Dies erklärt auch, weshalb die Rendite der richtungsweisenden 10-jährigen US-Staatsanleihe im Nachgang zum Zinsentscheid wieder etwas angestiegen ist. Der Fokus der Schweizer Investoren richtet sich in dieser Woche auf die geldpolitische Lagebeurteilung der Schweizerischen Nationalbank vom Donnerstag. Wir gehen von einer weiteren Zinssenkung um 25 Basispunkte aus.

Währungen

US-Dollar in Franken: 0.8507
Euro in US-Dollar: 1.1165
Euro in Franken: 0.9498

Der Start des US-Zinssenkungszyklus hat den US-Dollar letzte Woche tendenziell geschwächt. Insbesondere der Euro profitierte von der nun geringeren Zinsdifferenz zum US-Dollar. Weiterhin stark zeigt sich der Schweizer Franken. Das dürfte Thomas Jordan im Vorfeld seines letzten Zinsentscheids nicht gefallen.

Rohstoffmärkte

Ölpreis WTI: USD 71.65 pro Fass
Goldpreis: USD 2'631.10 pro Unze

Der Zinsentscheid der US-Notenbank verhalf dem Goldpreis zu einem regelrechten Höhenflug. Der Preis für eine Unze Gold stieg in den vergangenen zwei Handelstagen um über 2% und liegt nun erstmals deutlich über 2'600 US-Dollar pro Unze.

Wirtschaft

Vergangenen Freitag wurden keine relevanten Konjunkturdaten publiziert. Diese Woche prägen in erster Linie die Resultate diverser Stimmungsumfragen den Wirtschaftskalender. Am Donnerstag veröffentlicht die Schweizerische Nationalbank dann ihre neuste geldpolitische Lagebeurteilung.

Patrick Häfeli

Senior Strategieanalyst Fixed Income
Stauffacherstrasse 41
8021 Zürich
Ansicht vom Gebäude der Niederlassung der St.Galler Kantonalbank in Zürich

Angela Truniger

Finanzanalystin
Stauffacherstrasse 41
8021 Zürich
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