05. August 2024, Tägliche Marktsicht
Nervosität bietet neue Chancen
An der Börse hat die Stimmung wieder einmal gedreht, diesmal von Euphorie zu Angst. Für solche Stimmungswechsel braucht es meistens nicht sehr viel. Diesmal genügten ein paar Konjunkturdaten aus den USA und eine Zinserhöhung in Japan.
Im Fokus
An der Börse hat die Stimmung wieder einmal gedreht, diesmal von Euphorie zu Angst. Für solche Stimmungswechsel braucht es meistens nicht sehr viel. Diesmal genügten ein paar Konjunkturdaten aus den USA und eine Zinserhöhung in Japan. Ausländische Investoren verkaufen panikartig ihre japanischen Aktien und verhelfen dem Nikkei-Index zu einem Verlust von fast 15% in drei Tagen, nachdem die Bank of Japan ihren Leitzins erhöht hat. Wahrscheinlich wissen die wenigsten dieser Verkäufer, wie hoch der Leitzins in Japan überhaupt ist. Die BoJ hat die Obergrenze ihres Zielbandes von 0.10% auf 0.25% angehoben. In den USA wurden Zinssenkungen der Fed über Monate als Heilsbringer für die Aktien gefeiert. Nachdem Jerome Powell am Mittwoch eine solche für den September angedeutet hat und eine schwächere Konjunktur als Argument verwendete, kommen die Rezessionspropheten wieder zum Vorschein. Nachdem die Arbeitslosenrate in den USA von tiefen 4.1% auf immer noch tiefe 4.3% angestiegen ist, fühlen sie sich bestätigt und werden noch lauter. Darum muss man die Tech-Aktien, die die gleichen Leute vor zwei Wochen noch als unantastbar empfohlen haben, jetzt unbedingt verkaufen. Dass an den Aktienmärkten nach einem Rallye, das neun Monate lang nur die Richtung nach oben kannte, die Kurse wieder einmal sinken müssen, ist normal und gehört zum Charakter von Aktien. Das Schöne dabei ist, dass sich dadurch neue Chancen ergeben, auf tieferen Niveaus wieder Aktien kaufen zu können.
Wer nicht als Day Trader sein Glück versucht, der muss sich bei der Frage, wie viele Aktien er halten will, an den mittelfristigen Erwartungen für die Weltwirtschaft und an seiner Fähigkeit, vorübergehende Verluste tragen zu können, orientieren. Der IWF geht in seiner Prognose davon aus, dass die Weltwirtschaft im nächsten Jahr real um 3.3% wachsen wird, leicht mehr als in diesem Jahr. Das sind nicht mehr die Wachstumsraten von 5% der Nullerjahre, als die ersten Hochhäuser in China aus dem Boden schossen, aber es ist ein solides Wachstum wie in den Jahren vor der Corona-Pandemie. In den USA und in Europa wird das Wachstum wieder zunehmen, nicht zuletzt dank den Zinssenkungen der Zentralbanken, die im nächsten Jahr ihre Wirkung entfalten werden. Ausgehend von einer Inflationsrate von knapp 3% kann daher von einem nominalen BIP-Wachstum von 5% bis 6% in den Industrieländern und etwas mehr in der Weltwirtschaft ausgegangen werden. Da liegt eine durchschnittliche Performance für ein gut diversifiziertes Aktienportfolios inklusive Dividenden von acht Prozent in den nächsten Jahren drin. Klar gibt es immer Unsicherheiten bei solchen Prognosen. Eine Gefahr sind die protektionistischen Vorstellungen, die in vielen Ländern beliebt sind, weshalb die Erwartungen an das zukünftige Wirtschaftswachstum und damit an die Aktiengewinne etwas heruntergeschraubt werden müssen. Im Vergleich zu den meisten anderen Anlagemöglichkeiten sind die Aktien dennoch attraktiv.
Die Fähigkeit, Verluste an den Börsen zu tragen, ist eine individuelle Angelegenheit. Die viel zitierte finanzielle Tragbarkeit ist dabei in den meisten Fällen nicht das begrenzende Element. Bedeutender ist die Frage, wie ich mental mit Verlusten umgehe. Meine Aktienposition darf mir nicht den Schlaf rauben, sonst ist sie zu hoch. Ein Fehler ist bei Aktien unverzeihlich: aus Angst im dümmsten Moment zu verkaufen.
Wenn die Aktienkurse nun etwas stärker fallen, ist das nicht schön anzusehen und tut weh. Wer sich mittelfristig positioniert hat, muss sich aber nicht grämen. Die Kurse werden wieder steigen. Zudem ergeben sich gute Möglichkeiten, die Position noch etwas zu verstärken, wenn in der Anlagestrategie noch Platz vorhanden ist. Vielleicht kann man sogar wieder zu einem vernünftigen Preis in Technologieaktien einsteigen.
Audio-Podcast der SGKB
Die US-Wahlen rücken immer näher. Am 6. November werden wir den 47. US-Präsidenten oder allenfalls die 1. US-Präsidentin kennen. Mit dem Rückzug von Joe Biden ist das Rennen wieder offen. Unser Chief Investment Officer Thomas Stucki und unser Konjunktur- und Anlageexperte Beat Schiffhauer diskutieren darüber, wer von welchem Kandidat mehr profitiert und wie sich Anlegerinnen und Anleger für die Wahl positionieren können.
Aktienmärkte
US-Aktienmärkte
Dow Jones: -1.51%, S&P500: -1.84%, Nasdaq: -2.43%
Europäische Aktienmärkte
EuroStoxx50: -2.67%, DAX: -2.33%, SMI: -3.59%
Asiatische Märkte
Nikkei 225: -7.91%, HangSeng: -0.22%, S&P/ASX 200: -3.26%
Die Korrektur bei den Technologieaktien geht weiter, nachdem die Zahlen von Intel und Amazon enttäuscht haben. Am Freitag sind die Aktien zusätzlich durch die schlechten Arbeitsmarktdaten in den USA unter Druck geraten. Der Kursverlust bei vielen Schweizer Aktien war besonders stark, was auch mit dem dünnen Handel nach dem 1. August zu tun hat. Der S&P 500 verlor letzte Woche 2.06%. Die europäischen Aktien sanken 4.60%, während der Swiss Performance Index die Woche mit einem Minus von 2.69% abschloss.
Die Inflation ist in den USA in den letzten Monaten deutlich zurückgekommen. Sie liegt mit 3% nur noch wenig über dem Zielbereich der US-Notenbank. Insbesondere im Inland zeigt sich bei den Preisen für Dienstleistungen ein rückläufiger Trend, was der Zentralbank mehr Spielraum für eine Zinssenkung gibt. Dies widerspiegelt einerseits die sich abschwächende Wirtschaft und andererseits den weniger angespannten Arbeitsmarkt. Die Menschen haben zwar weiterhin Arbeit, aber die Löhne steigen nicht mehr im gleichen Umfang, was sich dämpfend auf die Konsumnachfrage auswirkt. Dies führt dazu, dass die inländischen Unternehmen ihre Preise nicht mehr beliebig weiter erhöhen können und somit die Lohn-Preis-Spirale durchbrochen werden kann. Die US-Notenbank wird daher im September die Zinswende einläuten. Tiefere Zinsen sind grundsätzlich positiv für die Aktienmärkte. Allerdings sorgt diese Neuausrichtung auch für Unsicherheit und bei den aktuell hohen Bewertungen ist der Schritt zu Gewinnmitnahmen klein. Die anstehenden US-Wahlen sind ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor. Der Stimmung an den Aktienmärkten wird dies aber nur vorübergehend abträglich sein. Viele Akteure am Markt nutzen Rückschläge für einen Aufbau von Aktien.
Kapitalmärkte
Renditen 10 J: USA: 3.747%; DE: 2.174%; CH: 0.395%
Nachdem die Fed für den September die erste Zinssenkung in Aussicht gestellt hat, sind die Erwartungen an noch mehr Zinssenkungen richtiggehend aufgeblüht. Da braucht es nur einen schwächeren Arbeitsmarktbericht in den USA und die Kapitalmarktzinsen fallen sowohl in den USA als auch in der Schweiz auf das Niveau von Anfang 2022, als die Leitzinsen der Zentralbanken noch bei Null oder im negativen Bereich waren.
Währungen
US-Dollar in Franken: 0.8491
Euro in US-Dollar: 1.0933
Euro in Franken: 0.9285
Der schwache Franken war einmal. Angst vor einem grösseren Krieg im Mittleren Osten, Angst vor einer Rezession in den USA, Angst vor noch ein paar anderen Sachen. Das treibt die Investoren wieder in den sicheren Hafen. Wenn dann noch spekulative Shortpositionen auf den Franken aufgelöst werden müssen, weil die SNB sich nicht gegen eine Aufwertung des Frankens wehrt, wie man geglaubt hat, dann verlieren der Euro und der US-Dollar zum Franken rasch einmal zwei bis drei Rappen an Wert.
Rohstoffmärkte
Ölpreis WTI: USD 73.56 pro Fass
Goldpreis: USD 2'453.64 pro Unze
Der Ölpreis hat auf die Eskalation der Spannungen zwischen Israel und dem Iran nur kurz reagiert. Der schwächere Arbeitsmarkt in den USA ist das bessere Argument und hat den Preis wieder auf das alte Niveau gedrückt.
Wirtschaft
USA: Non Farm Payrolls (Juli) letzte: 179’000; erwartet: 175’000; aktuell: 114’000
USA: Arbeitslosenrate (Juli) letzte: 4.1%; erwartet: 4.1%; aktuell: 4.3%
Der US-Arbeitsmarkt kühlt sich spürbar ab, nachdem er lange den höheren Zinsen getrotzt hat. Die Arbeitslosenrate ist auf 4.3% gestiegen. Die Zahl der Leute, die den Job verlieren, hat im Juli zugenommen und es wird schwieriger, eine neue Stelle zu finden. Die monatlichen Zahlen sind grossen Schwankungen unterworfen und werden stark durch saisonale Effekte und den herrschenden Wetterbedingungen beeinflusst. Der Trend zeigt jedoch in Richtung Verschlechterung, weshalb tiefere Fed-Zinsen ab dem September sehr wahrscheinlich sind.
Thomas Stucki
8021 Zürich