07. Oktober 2024, Tägliche Marktsicht
Zinsen eignen sich nicht zur Währungssteuerung
Die Schweizerische Nationalbank hat weitere Zinssenkungen in Aussicht gestellt. Tiefere Zinsen haben vor allem einen Effekt im Inland.
Im Fokus
Die SNB hat weitere Zinssenkungen in Aussicht gestellt, ja sie fast schon angekündigt. Sie begründet dies mit der im nächsten Jahr erwarteten tieferen Inflationsrate, welche eine expansivere Geldpolitik erfordert. Der Rückgang der Inflationsrate auf 0.8% im September ist aber ausschliesslich auf die tieferen Preise der Importgüter zurückzuführen. Diese sind dank dem starken Franken um 2.7% gesunken, während die Inlandteuerung bei hohen 2.0% verharrt. Im nächsten Jahr wird es bei der Inlandteuerung eine Entlastung geben, wenn die Mietzinserhöhung dieses Frühjahrs aus der Inflationsrechnung herausfallen wird und allenfalls der Referenzzins für die Wohnungsmieten sinkt. Deflationär wird die Preisentwicklung im Inland aber nicht. Der SNB geht es mit der Ankündigung weiterer Zinssenkungen in erster Linie um eine Warnung an den Devisenmarkt, dass sie eine weitere Aufwertung des Frankens nicht tolerieren wird.
Dafür sind die Zinsen aber ein ineffizientes, um nicht zu sagen untaugliches Mittel. Die Zinssenkungen der SNB im März und im Juni konnten den Franken vorübergehend schwächen, sind aber bereits verpufft. Der Franken ist fast wieder gleich teuer wie zu Jahresbeginn, als ein Aufwertungsschub des Frankens die SNB erschreckte. Tiefere Zinsen in der Schweiz werden den Franken nicht schwächen. Niemand kauft oder verkauft Franken, weil die Zinsen in der Schweiz 0.50% höher oder tiefer sind. Der Franken ist für internationale Anleger im Grundsatz eine unattraktive Währung.
Die Zinsen in der Schweiz sind tiefer als in anderen Währungen. Es ist schwierig, grosse Beträge in Franken zu investieren. Es gibt keine gehandelten Geldmarktpapiere analog zu den US-Treasury Bills oder den deutschen Bubills, in welchen Milliardenbeträge praktisch risikolos parkiert werden können. Der Geldmarkt im Franken läuft über Festgelder bei den Banken mit den entsprechenden Kreditrisiken. Grosse Investitionen im Obligationenmarkt sind ebenfalls schwierig. Der Markt mit Anleihen der Eidgenossenschaft ist aufgrund der tiefen Verschuldung des Staates klein und illiquide. Unternehmensanleihen werden noch weniger gehandelt. Die Transaktionskosten in Form der Geld/Brief-Spanne sind entsprechend hoch. Zudem konzentrieren sich die Emittenten auf öffentliche Körperschaften und Finanzgesellschaften. Einzig der Aktienmarkt erfüllt die Anforderungen an die Handelbarkeit der Titel, zumindest bei ein paar grossen SMI-Werten. Wer aus Währungsüberlegungen Franken kauft, will aber die Risiken des Aktienmarktes nicht eingehen.
Die SNB bemängelt immer wieder, dass die inländischen Investoren einen zu hohen Anteil an Franken halten und zu wenig im Ausland investieren. Daran ändert sich nichts, wenn die Zinsen in der Schweiz tiefer werden. Die anderen Währungen locken seit je mit höheren Zinsen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Schweizer Investoren auf den Fremdwährungen meistens verlieren, manchmal mehr, manchmal weniger. Die höheren Zinsen im Ausland werden durch diese Verluste weggefressen, weshalb viele Anleger auf Fremdwährungsobligationen verzichten oder zumindest die Währungsrisiken absichern. Der Effekt auf die Währung ist dabei gleich null, da die für die Investition verkauften Franken auf Termin gleich wieder zurückgekauft werden.
Franken werden gekauft, weil man auf dessen Aufwertung spekuliert oder weil man die Sicherheit des Hafens Franken sucht. Die Zinsen spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Bei der aktuellen geopolitischen Lage wird der Druck auf den Franken nach oben nicht nachlassen. Wenn die SNB sich dagegen wehren will, bleibt ihr nicht viel anderes übrig, als über Interventionen im Devisenmarkt den Franken zu stabilisieren. Einen neuerlichen Anstieg der Devisenreserven muss sie in Kauf nehmen. Tiefere Zinsen haben vor allem einen Effekt im Inland. Der Immobilienmarkt reagiert bereits auf die bisherigen Zinssenkungen. Die Nachfrage nach Immobilien steigt und damit die Preise. Einen weiteren Impuls in Form noch tieferer Zinsen benötigen die Immobilien wie auch der Rest der Wirtschaft nicht.
Audio-Podcast der SGKB
Die chinesische Zentralbank hat überraschend den Geldhahn aufgedreht, um den chinesischen Immobilienmarkt zu stützen. Beendet dies die Krise? Unsere Konjunkturexperten Céline Koster und Beat Schiffhauer ordnen diese Frage im aktuellen Audio-Podcast ein.
Aktienmärkte
US-Aktienmärkte
Dow Jones: +0.81%, S&P500: +0.90%, Nasdaq: +1.22%
Europäische Aktienmärkte
EuroStoxx50: +2.19%, DAX: +0.55%, SMI: -0.13%
Asiatische Märkte
Nikkei 225: -4.67%, HangSeng: +1.15%, S&P/ASX 200: +0.67%
Die Eskalation der kriegerischen Ereignisse im Nahen Osten hat die Aktienmärkte belastet, insbesondere in Europa. Die US-Aktien profitierten von den starken Arbeitsmarktzahlen am Freitag und der damit verbundenen Besänftigung der Rezessionsängste. Die Aktien in China stiegen markant an, nachdem die Zentralbank einen Strauss von Massnahmen zur Stabilisierung der Krise im Immobilienmarkt beschlossen hat. Der S&P 500 legte letzte Woche 0.22% zu. Die europäischen Aktien sanken 2.22%, während der Swiss Performance Index die Woche mit einem Minus von 1.78% abschloss.
Die US-Notenbank hat mit ihrer Zinssenkung von 50 Basispunkten den Start des Zinssenkungszyklus eingeleitet. Die US-Wirtschaft zeigt sich weiterhin robust, aber die Anzeichen einer Abkühlung mehren sich. Gleichzeitig nähert sich die Inflation zusehends dem Zielwert. Grund genug, die Zinsen zu senken und damit der Wirtschaft Rückenwind zu geben. Gleichzeitig haben sich die Wogen an den Aktienmärkten geglättet. Jeder Rückschlag an den Märkten wird zum Wiedereinstieg genutzt. Mit der Zinswende der US-Notenbank hat sich die Sicht für die kommenden Monate deutlich verbessert. Sie will verhindern, dass sich die Wirtschaft in den USA zu stark abkühlt. Zinssenkungen manifestieren sich erst nach einer gewissen Zeit in der wirtschaftlichen Entwicklung. Deshalb ist es richtig, dass die Fed bereits jetzt mit den Zinsen runtergeht, auch wenn die Wirtschaft weiterhin gut läuft. Für die Aktienmärkte ist dies ein positives Signal.
Kapitalmärkte
Renditen 10 J: USA: 3.943%; DE: 2.210%; CH: 0.463%
Die guten US-Arbeitsmarktzahlen haben diejenigen, die auf immer weiter sinkende Zinsen spekulierten, auf dem falschen Fuss erwischt. Entsprechend stark war die Reaktion bei den Kapitalmarktzinsen am Freitag. Die Fed wird die Leitzinsen weiter senken, aber grosse Sprünge wie im September sind nicht nötig.
Währungen
US-Dollar in Franken: 0.8576
Euro in US-Dollar: 1.0970
Euro in Franken: 0.9408
Die starken Arbeitsmarktzahlen haben dem US-Dollar zu einem kurzen Rallye verholfen. Sowohl zum Euro als auch zum Franken hat er an Wert zugelegt. Das konnte er nach den Kursverlusten der letzten Wochen auch brauchen.
Rohstoffmärkte
Ölpreis WTI: USD 74.17 pro Fass
Goldpreis: USD 2'647.42 pro Unze
Der Ölpreis reagiert auf die Eskalation rund um den Iran und ist um fast 10% angestiegen. Er befindet sich damit aber erst wieder auf dem Niveau von Ende August. Eine Panik bei den Energiepreisen wie nach dem Einmarsch der Russen in der Ukraine vor zwei Jahren ist nicht zu sehen.
Wirtschaft
USA: Non Farm Payrolls (September) letzte: 159’000; erwartet: 150’000; aktuell: 254’000
USA: Arbeitslosenrate (September) letzte: 4.2%; erwartet: 4.2%; aktuell: 4.1%
In den USA wurden im September unerwartet viele neue Stellen geschaffen. Zudem wurden die Zahlen der beiden Vormonate deutlich nach oben korrigiert. Das zeigt, dass die Angst vor einer Rezession in den USA überzogen war. Allerdings schwanken die Daten für den Arbeitsmarkt von Monat zu Monat stark. Zudem spielen die saisonalen Adjustierungen eine wichtige Rolle. Dennoch darf festgehalten werden, dass die US-Wirtschaft robuster ist als befürchtet. An den Zinssenkungsplänen der Fed ändert sich aber nichts.
Thomas Stucki
8021 Zürich