Rezession: Kommt sie oder kommt sie nicht?
Die Ostschweizer Unternehmen beurteilen ihre Geschäftslage im laufenden Quartal als gut, auch wenn sich zuletzt eine gewisse Abkühlung zeigte. Das Auslandsgeschäft hat sich leicht eingetrübt, die Binnenwirtschaft präsentiert sich mehrheitlich stabil.
Die Lieferkettenproblematik hat sich derweil weitgehend entspannt und die Preisdynamik nimmt spürbar ab. Der Arbeitskräftemangel bleibt die prägende Herausforderung, hat sich aber nicht weiter verschärft. Eine Rezession scheint in weite Ferne gerückt.
Der milde Winter und die abgeschwächte Energiekrise haben den befürchteten, stärkeren Einbruch ausbleiben lassen. Dämpfend wirkt das Auslandsgeschäft, das die stark gestiegenen Zinsen zu spüren bekommt. Die binnenorientierten Branchen entwickeln sich in der Ostschweiz unterdessen stabil. Der Detailhandel beurteilt seine Geschäftslage als gut bis sehr gut. Auch das Gastgewerbe konnte die deutlich positive Lage vom Vorquartal halten. Im Bau präsentiert sich die Situation insbesondere im Baunebengewerbe weiterhin als sehr gut, aber auch die Unternehmen im Bauhauptgewerbe zeigen sich unverändert zufrieden.
Lieferketten normalisieren sich, hohe Lagerhaltung als Problem
Positive Signale gibt es von den Lieferketten. Diese haben sich im Zuge der Öffnung Chinas zuletzt weiter normalisiert, wie die Rückmeldungen unter anderem aus der Industrie und dem Grosshandel aufzeigen. Die Transport- und Logistikprozesse funktionieren wieder und der Mangel an Vorprodukten hat sich deutlich reduziert. Branchenübergreifend haben die Unternehmen die Lagerhaltung in der Folge ausgebaut. Mittlerweile berichtet gar die Mehrheit der Industrie- und Grosshandelsunternehmen von einer zu grossen Lagerhaltung sowohl bei den Vor- als auch bei den Endprodukten. Einerseits fahren viele Unternehmen nach wie vor eine defensive Lagerstrategie. Andererseits zeigen Rückmeldungen aus dem Maschinen- und Fahrzeugbau, dass Bestellungen bisweilen spät oder gar nicht abgerufen werden.
Arbeitskräftemangel weiter präsent
Die Preisdynamik flacht ab. Schweizweit erreichte die Inflation mit einem Plus von 2.6% gegenüber dem Vorjahresmonat zuletzt den tiefsten Stand seit einem Jahr. Sie ist aber in der Breite angekommen. Anfänglich wirkten primär Energie und Rohstoffe teuerungstreibend, nun verharrt die Kerninflation (ohne Energie, Treibstoffe und frische Produkte) auf über 2%. Während die Teuerungsraten bei den Waren insgesamt rückläufig sind, ist dies bei den Dienstleistungen noch nicht der Fall. Die Nationalbank dürfte die geldpolitischen Zügel daher weiter straffen, um so eine allgemein akzeptierte Inflation zu verhindern.
Auch die Löhne erweisen sich zunehmend als Inflationstreiber. Steigende Löhne und Lohnnebenleistungen sind unter anderem das Resultat von nahezu Vollbeschäftigung. Die hohe Arbeitsplatzsicherheit stützt zwar den Konsum. Auf der anderen Seite beurteilen die Ostschweizer Unternehmen den Arbeitskräftemangel weiterhin als grösste Herausforderung.
Verhalten optimistischer Ausblick – Lage fragil
Insgesamt zeigen sich die Ostschweizer Unternehmen trotz der steigenden Zinsen für das kommende Halbjahr verhalten optimistisch. Für die Geschäftslage erwarten sie mehrheitlich eine Stabilisierung oder gar eine positive Entwicklung. Gibt man den Unternehmen recht, ist daher nicht davon auszugehen, dass sich die aktuelle Abkühlung akzentuiert und in einen wirtschaftlichen Einbruch mündet. Besonders zuversichtlich für die nächsten sechs Monate äussern sich die Unternehmen aus dem Baunebengewerbe und dem Gastgewerbe. Auch in der Industrie wird wieder mit einer Verbesserung der Exporte gerechnet. Allerdings darf man nicht ausser Acht lassen, dass sich die deutlich gestiegenen Zinsen erst nach und nach im Wirtschaftssystem bemerkbar machen. Optimismus ist angesichts der aktuellen Lage sicher angebracht, aber die Lage ist fragil, wie auch die Turbulenzen im US-Bankensystem jüngst gezeigt haben.
Herausgegriffen – Konkurse nehmen zu
Gemäss der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich nehmen die Konkurse auch in diesem Jahr weiter zu. Bereits 2022 wurden gemäss dem Bundesamt für Statistik schweizweit gegenüber 2021 fast 7 % mehr Konkurse registriert. Die Gründe liegen auf der Hand: Die gestiegenen Preise erhöhen die Betriebs- und zunehmend auch die Lohnkosten. Wer diese Kosten nicht an die Endkunden weitergeben kann, droht in die Verlustzone zu rutschen. Gleichzeitig laufen die Covid-Kredite aus, beziehungsweise müssen nach und nach zurückgezahlt werden. Bei einigen Unternehmen war durch die Corona-Krise das Finanzpolster bereits ausgedünnt. Entsprechend braucht es aktuell wenig, bis ein Konkurs droht. Allerdings bilden Konkurse weiterhin die grosse Ausnahme und dies dürfte auch so bleiben. Die allermeisten Ostschweizer Unternehmen sind weiterhin sehr solide aufgestellt.