Nachfolge innerhalb der Familie – mit durchdachtem Prozess zur guten Lösung für alle
In den nächsten Jahren werden hunderte von Ostschweizer Unternehmen mit der Nachfolgeregelung konfrontiert. Gut verfügt die St.Galler Kantonalbank über ein Kompetenzzentrum, das die Nachfolge mit ihnen durchdacht plant und damit den Erfolg ihres Lebenswerkes sichert, wie das Beispiel der Streule & Alder AG zeigt.
Die Erfahrung zeigt, dass zwei Drittel aller KMU keine systematische Nachfolgeplanung betreiben. Damit vernachlässigen Führungskräfte eine ihrer wichtigsten strategischen Aufgaben, nämlich die Kontinuität der Firma sicherzustellen. «Zu den grössten Stolpersteinen bei der Nachfolgeplanung zählen, dass man sich zu spät mit dem Thema auseinandersetzt, der Verkaufspreis zu hoch ist, die Firmenstruktur nicht fit für den Verkauf ist und dass man kein externes Coaching für den komplexen Nachfolgeprozess beizieht», meint Kurt Müller, der bei der St.Galler Kantonalbank für Nachfolgeberatungen tätig ist und zahlreiche Firmeninhaberinnen und –inhaber auf diesem Weg begleitet hat. Doch wie kann dieser Prozess gelingen? «Alle direkt und indirekt Betroffenen müssen von Beginn an miteinbezogen werden – letztlich reden sowieso alle mit. Es ist daher wichtig, von Anfang an zu klären, wer welche Erwartungen, Wünsche, Hoffnungen und Bedingungen hat», so Kurt Müller. Ziel müsse es sein, dass diese Soft-Faktoren von Beginn an im Prozess bekannt sind und berücksichtigt werden.
Übergabe innerhalb der Familie
Kurt Müller hat auch die Streule & Alder AG aus Rorschach beraten. Das traditionsreiche KMU am Bodensee hat sich auf Bedachungen, Fassadenbau, Solarinstallationen und Spenglerarbeiten spezialisiert. Seit seiner Gründung im Jahr 1993 hat Inhaber Karl Streule die Firma stetig weiterentwickelt und gilt weit herum als kompetenter und verlässlicher Partner in der Gebäudehüllen-Branche. Aktuell sind rund 50 Mitarbeitende im Unternehmen beschäftigt.
Dass Sohn Jannik Streule in die Fussstapfen seines Vaters treten könnte, zeichnete sich schon früh ab. Als Kind war er ständig im Betrieb und wollte überall dabei sein. Als es um die Lehre ging, hat er sich wie selbstverständlich für den Beruf des Dachdeckers entschieden und arbeitete während vier Jahren im Toggenburg und zweieinhalb Jahre im Rheintal. Vor knapp drei Jahren, nach dem Militärdienst, ist er in den Familienbetrieb in Rorschach eingetreten und übernahm immer mehr Verantwortung.
«Neben Jannik sind in der Familie noch drei andere Kinder. Der jüngste Bruder war zu Beginn der Nachfolgeplanung gerade mal 15 Jahre alt. Die grösste Herausforderung war eine Lösung zu finden, die für alle stimmt und es dennoch den anderen auch später ermöglicht, in die Firma einzutreten», erläutert Kurt Müller die Ausgangslage.
Intensiver Prozess bis zur Übergabe
In den nächsten Schritten wurde eine Zukunftsmatrix für die Organisationsentwicklung erstellt, bei welcher es darum ging, die Sicherstellung der Kompetenzen zu gewährleisten, wenn Karl Streule schrittweise seine Verantwortung übergibt. Danach wurde ein Treuhandunternehmen beauftragt, eine Unternehmensbewertung vorzunehmen und gemeinsam Varianten auszuarbeiten, um den Preis festzulegen, den Sohn Jannik für die Übernahme der Aktien zu zahlen hatte. «Es war ein intensiver Prozess, den ich aber sehr konstruktiv in Erinnerung habe. Alle waren kompromissbereit und konnten sich gut in die Situation der anderen Person hineinversetzen», blickt Jannik Streule zurück.
Die mit der gesamten Familie getroffene Lösung sieht vor, dass Jannik auf alle Fälle die Aktienmehrheit besitzt, selbst wenn weitere Kinder zu einem späteren Zeitpunkt ins Unternehmen eintreten. Die Finanzierung wird familienintern gelöst, so wie es bei vielen Familien-KMU der Fall ist.
Die St.Galler Kantonalbank unterstützte ebenso bei der Entscheidungs- und Preisfindung mit allen Familienmitgliedern, bei der Gründung einer Akquisitionsholding, bei erbrechtlichen Fragen und dem Aktionärbindungsvertrag. «Transparenz, Ehrlichkeit, Vertrauen – das ist sicher die Grundlage, wenn ein ganzes Unternehmen in der Familie übergeben werden soll. Meiner Frau und mir war es wichtig, dass Jannik früh in die Zahlen schauen konnte und sich mit Überzeugung für sein Engagement entscheiden konnte», so Karl Streule.
Prozessmanagement und Digitalisierung anpacken
Mittlerweile ist Jannik Streule im Unternehmen angekommen und übernimmt nach Abschluss der Meisterprüfung die operative Führung. Im Gegensatz zu seinem Vater sei er eher ruhiger im Naturell, meint Jannik Streule. «Ich glaube aber, so viel wird sich im Betrieb im Moment gar nicht ändern mit mir. Ich kann auf eine sehr gute Mannschaft zählen, worauf ich stolz bin. Die Herausforderung ist viel mehr, das hohe Niveau zu halten und das Unternehmen wie bis anhin stets für die Zukunft vorzubereiten. Aus meiner Meisterschule kann ich sicher wertvolle Inputs einbringen wie Optimierungen im Prozessmanagement und das Thema Digitalisierung», so Jannik Streule.
Nichts mit Ruhestand
Karl Streule freut sich über die gelungene Geschäftsübergabe. «Das Unternehmen ist kerngesund, wir haben kompetente und treue Mitarbeitende, gute Projekte – das in guten Händen zu wissen macht Freude!» Noch arbeitet der Patron tatkräftig im Betrieb mit und unterstützt mit seiner Erfahrung, wo er kann. Er könnte sich auch vorstellen, später noch einzelne Aufgaben zu übernehmen oder einfach nur mit dem Stapler herumzufahren – er sei sich für nichts zu schade. Vielleicht aber wird er seine Erfahrung anderen Betrieben zur Verfügung stellen: «Ich habe ein Flair dafür, die Strukturen von anderen Betrieben zu analysieren. Vielleicht kann ich so anderen Unternehmen helfen, die in herausfordernden Situationen sind und Unterstützung benötigen», sagt er. Eines ist auf jeden Fall klar: Karl Streule wird es so schnell sicher nicht langweilig werden.